Koran, Sure 1, Vers 5

Koranübersetzung:
Dir allein dienen wir, und Dich allein bitten wir um Hilfe.

Erläuterung:
1:5 – Im fünften Vers heißt es: ”Dir (allein) dienen wir, und Dich (allein) bitten wir um Hilfe.“ Für das Wort “‘Ibāda” (Gehorsam), von dem die Form “na‘budu” (wir dienen) abgeleitet ist, hat der Qur’ān-Kommentator Ibn Kaṯīr folgende zutreffende Definition gefunden: ”‘Ibāda ist alles das, was sich in vollständiger Liebe, Demut und Furcht vereint.“ ‘Ibāda beschränkt sich also nicht auf Gehorsam, Demut und Unterwerfung schlechthin – vielmehr umfasst sie auch Dank, uneingeschränktes Gottvertrauen und aufrichtige Ergebenheit; der Begriff beinhaltet darüber hinaus Gehorsam gegenüber Allāh (t) in allem, was Er uns vorgeschrieben hat, und zwar, wie sich aus dem bisher Gesagten bereits ergibt, Gehorsam, der in der Liebe zu Ihm begründet liegt. Der dieser Haltung entspringende Dienst für Allāh (t) geschieht durch Worte und Taten, die Ihm wohlgefällig sind. Und genau das ist ein wesentlicher Grundgedanke des Islam; denn Islam bedeutet nichts anderes als “Unterwerfung unter den Willen Allāhs und Hingabe an Ihn”. Dem entspricht, dass Allāh (t) in Sura 51:56 sagt: ”Und Ich habe die Ğinn und die Menschen nur darum erschaffen, damit sie Mir dienen (sollen).“ Und in Sura 12:40 heißt es: ”Er (Allāh) hat geboten, Ihn allein zu verehren.“ In dieser Aussage liegt auch die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des menschlichen Lebens, über die sich nicht-muslimische Philosophen jahrhundertelang vergeblich den Kopf zerbrochen haben. Kehren wir nun zum Aufbau der Sura zurück: Nachdem wir von Allāhs Allmacht und Allbarmherzigkeit und von dem auf uns alle zukommenden Gericht Allāhs gehört haben, ist es nur konsequent, dass wir uns nun in Liebe, Demut und Ehrfurcht vor Allāh (t) verneigen, Ihn anbeten und Seinen Gesetzen folgen. In diesem Sinne sind wir “Diener” Allāhs. Seine Allmacht und Seine Barmherzigkeit, aber auch unsere Verehrung für Ihn ermutigen uns, Ihn um Seinen Beistand und Seine Hilfe zu bitten. Und weil erst aufrichtige Anbetung das Herz für gottergebenes Bitten öffnet, wird im fünften Vers der Gehorsam bzw. das ihm entsprechende Dienen vor dem Bitten um Hilfe genannt. Besondere Beachtung sollte in diesem Vers der Wortstellung geschenkt werden. Es heißt nicht: “Wir dienen Dir”, sondern das “Dir” steht am Anfang des Satzes und wird dadurch besonders hervorgehoben; dadurch erhält dieser Vers die Bedeutung, dass wir Allāh (t) allein dienen und sonst niemandem, dass wir nur Allāh (t), jedoch keine andere Gottheit neben Ihm, um Hilfe bitten. Hier kommen also wieder die Einheit und Einzigkeit Allāhs und die Bedeutung von “lā ilāha illa-llāh” zum Ausdruck. Weiterhin heißt es in diesem Vers “dienen wir” und “bitten wir”. Die Mehrzahl des Personalpronomens weist auf die islamische Gemeinschaft hin und stärkt das Bewusstsein der islamischen Brüderlichkeit, zumal die Al-Fātiḥa ja Bestandteil des täglichen islamischen Gebets ist. Festigt das Gemeinschaftsgebet ohnehin schon das Gefühl der Brüderlichkeit, so lässt dieses “wir” die Zusammengehörigkeit besonders deutlich werden, und es gibt dem, der als Einzelner für sich betet, das tröstliche Gefühl, dass er nicht allein, sondern Teil der islamischen Gemeinschaft ist. Mit dem fünften Vers beginnt von Struktur und inhaltlicher Aussage her der zweite Teil dieser Sura. Dazu sei zunächst auf eine sprachliche Auffälligkeit dieses Verses hingewiesen: Durch die Personalpronomina “Dir”, “Dich” und später “Du” wird Allāh (t) erstmals direkt persönlich angesprochen. Nachdem bislang von Allāh (t) nur in der dritten Person Singular die Rede war, wird ab Vers 5 ausschließlich die zweite Person Singular für Ihn gebraucht. Diese formale Veränderung unterstreicht die inhaltliche Wendung ausgehend vom Lobpreis Allāhs hin zur Bitte um Seine Hilfe.

Arabischer Originaltext:
إِيَّاكَ نَعۡبُدُ وَإِيَّاكَ نَسۡتَعِينُ


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