Koran, Sure 2, Vers 007

Koranübersetzung:
Versiegelt hat Allah ihre Herzen und ihr Gehör; und über ihren Augen liegt ein Schleier; ihnen wird eine gewaltige Strafe zuteil sein.

Erläuterung:
2:7 – Das Versiegeln ihrer Herzen ist die Folge der vorsätzlichen Ablehnung des Glaubens, nicht deren Ursache. Die Strafe steht hier im Gegensatz zum Wohlergehen in 2:5 (vgl. dazu 7:100, 186; 16:106-107; 17:45-46 und die Anmerkung dazu). Nachdem Allāh zunächst in den vorangehenden Versen Seine aufrichtigen Diener nebst den Eigenschaften, die sie Seiner Gunst würdig machen, genannt und gezeigt hat, dass die Schrift Allāhs für sie Rechtleitung und Wohlwollen bedeutet, lässt Er nun die Erwähnung ihrer Widersacher folgen, die Ungläubige von anmaßender Widerspenstigkeit sind, bei denen die Rechtleitung ohne Nutzen und das Wohlwollen ohne Erfolg bleiben. Diesen ist es nämlich gleichgültig, ob die Schrift existiert oder nicht und ob der Gesandte warnt oder schweigt. Wenn das Wort “denen, die ungläubig sind”, sprachlich determiniert ist und damit nicht eine unbestimmte Gruppe von Ungläubigen angesprochen ist, so kann das deshalb geschehen sein, weil diese Ungläubigen bekannt sind. Es wären dann bestimmte Einzelmenschen damit gemeint, wie Abū Lahab, Abū Ǧahl, Al-Walīd Ibn Al-Muġīra und Ungläubige derselben Art. Die Determination kann aber auch auf die Gattung der Ungläubigen gehen und sich somit auf jeden erstrecken, der fest in seinem Unglauben beharrt und sich später nicht mehr davon abbringen lässt, wie es bei den Genannten und anderen der Fall ist. Dass sich die Determination tatsächlich auf alle diejenigen erstreckt, die auf ihrem Unglauben bestehen, beweist der Umstand, dass hier von den Ungläubigen als den Leuten berichtet wird, denen es gleich ist, ob sie gewarnt werden oder nicht. Das Wort “Versiegeln” (ḫatama) und das (Wort) “Geheimhalten” (katama) sind verwandte Ausdrücke; denn wenn man sich einer Sache versichert, indem man ihr ein Siegel aufdrückt, so hält man sie geheim und verbirgt sie, damit sich niemand Zugang zu ihr verschaffen und etwas von ihr erfahren kann. Wenn man fragt, was die Versiegelung des Herzens und des Gehörs sowie die Verhüllung des Gesichtes bedeuten soll, so kann geantwortet werden: In Wirklichkeit gibt es hier weder eine Versiegelung noch eine Verhüllung. Vielmehr liegt ein Tropus (Maǧāz) vor, wobei beide Arten des Tropus in Betracht kommen, nämlich Metapher (Isti‘āra) und Gleichnis (Tamṯīl). Eine Metapher liegt unter folgenden Bedingungen vor: Man stellt das Herz und das Gehör der Ungläubigen als etwas hin, dessen man sich gleichsam durch Versiegelung versichert hat, und zwar deshalb, weil die Wahrheit nicht in das Herz eindringt und nicht in dessen Inneres gelangt, da sich die Ungläubigen von der Wahrheit abwenden und sich zu hoch dünken, als dass sie sie aufnähmen und glaubten, ferner weil das Gehör der Ungläubigen die Wahrheit von sich weist, ihr nicht aufmerksam lauscht und abgeneigt ist, sie anzuhören. Und man stellt das Gesicht der Ungläubigen als etwas hin, über das gleichsam eine Hülle und ein Vorhang gedeckt sind und dem das Erkennen unmöglich ist, weil das Gesicht der Ungläubigen die dargebotenen Zeichen Allāhs und die gezeigten Hinweise nicht so enthüllt, wie es die Augen der Erwägenden und Überlegenden tun. Ein Gleichnis liegt vor, wenn man Herz, Gehör und Gesicht mit Dingen vergleicht, die infolge einer Versiegelung und Verhüllung durch eine Scheidewand von ihrer Nutzung getrennt sind, und zwar deshalb, weil die Ungläubigen sie nicht für die religiösen Zwecke nutzen, die den Menschen anvertraut sind und derentwegen diese erschaffen sind. Man kann nun sagen: Warum ist die Tat der Versiegelung Allāh zugeschrieben? Wenn sie Ihm zugeschrieben ist, so deutet das darauf hin, dass es den Ungläubigen verwehrt ist, die Wahrheit aufzunehmen und auf dem ihr angemessenen Wege Zugang zu ihr zu finden. Dies wäre schändlich, Allāh aber ist hoch darüber Erhaben, Schändliches zu tun; denn Er kennt den schimpflichen Charakter des Schändlichen und weiß, dass Er Seiner nicht bedarf. Er hat Selbst festgelegt, dass man sein Wesen von der Beilegung einer solchen Eigenschaft freihalten muss. (vgl. 7:28; 43:76; 50:29). Darauf kann geantwortet werden: Es ist hier beabsichtigt, das Herz als etwas zu charakterisieren, dem gleichsam ein Siegel aufgedrückt ist. Wenn die Versiegelung Allāh zugeschrieben ist, so soll dadurch angezeigt werden, dass diese Eigenschaft in ihrer übermäßigen Beständigkeit und Beharrlichkeit wie etwas Angeborenes und nicht bloß wie eine vorübergehende Eigenschaft ist. Man sagt ja auch: “Der und der ist mit einer Anlage für das und jenes erschaffen und damit ausgestattet”, wenn man meint, dass er darin sehr beständig ist. Wie kann man sich etwas vorstellen, das einem eingibt, Allāh Selbst habe den Ungläubigen das Herz versiegelt, wo doch, um den Ungläubigen die Hässlichkeit ihrer Eigenschaft und die Widerwärtigkeit ihres Verhaltens vorzuwerfen, der vorliegende Vers herabgekommen und die ausdrückliche Androhung einer gewaltigen Strafe angehängt ist! Möglicherweise ist der Satz in seiner vorliegenden Form, also in der Form “Allāh hat ihnen das Herz versiegelt” gleichnishaft gebraucht. So sagt man: “Der Gießbach ist mit jemand davongeflossen”, wenn dieser zugrunde gegangen ist, und: “Der Vogel Greif ist mit jemand davongeflogen”, wenn dieser lange abwesend ist. In Wirklichkeit sind der Gießbach und der Vogel Greif nicht am Untergang und an der langen Abwesenheit des Betroffenen beteiligt. Vielmehr handelt es sich um ein Gleichnis, in welchem dargetan wird, dass die Lage des Betroffenen hinsichtlich des Unterganges der Lage von einem gleicht, mit dem der Gießbach davongeflossen ist, und dass die Lage des Betroffenen bei langer Abwesenheit der Lage von einem gleicht, mit dem der Vogel Greif davongeflogen ist. Ebenso wird hier dargetan, dass der Zustand des Herzens der Ungläubigen in seinem Widerwillen gegen die Wahrheit dem Zustand eines Herzens gleicht, das Allāh versiegelt hat, ähnlich dem Herzen der Barbaren, das in seinem Mangel an Klugheit unmittelbar dem Herzen der wilden Tiere entspricht. Oder es wird dargetan, dass der Zustand des Herzens der Ungläubigen dem Zustand eines Herzens gleicht, über das Allāhs Versiegelung so verhängt ist, dass es auf nichts achtgibt und nichts versteht. Tatsächlich hat Allāh bei dem Widerwillen des Herzens gegen die Wahrheit und der Abneigung, die Wahrheit aufzunehmen, nicht mitgewirkt, ist Er doch hoch über so etwas Erhaben. Möglicherweise ist auch die Zuschreibung selbst in metaphorischer Weise von etwas anderem als Allāh (t) auf diesen übertragen. Dann wäre die Versiegelung nach der Art eines Tropus dem Namen Allāhs zugeschrieben, während sie in Wirklichkeit einem anderen als Ihm zukommt. Dies ist folgendermaßen zu erläutern: Das Handeln hat verschiedene Berührungspunkte. Es berührt das Subjekt, das äußere Objekt, das innere Objekt, die Zeit, den Ort und das, was das Handeln verursacht. Tatsächlich ist das Handeln dem Subjekt zuzuschreiben; doch wird es im tropischen Gebrauch der Metapher bisweilen auch den anderen soeben angeführten Dingen zugeschrieben. Das kann deshalb geschehen, weil diese Dinge dem Subjekt insoweit gleichen, als auch sie mit dem Handeln in Berührung stehen. Es ist dies genauso, wie wenn ein Mann in seinem Wagemut dem Löwen gleicht und man ihn dann metaphorisch einen Löwen nennt. So sagt man metaphorisch vom Objekt einer Handlung “ein zufriedenes Leben” – statt: “ein Leben, mit dem man zufrieden ist”, und von demjenigen, der eine Handlung verursacht: “Der Kalif hat die Stadt gebaut” – statt: “Der Kalif hat verursacht, dass man die Stadt gebaut hat”. Im vorliegenden Fall ist es nun in Wirklichkeit der Satan oder der Ungläubige selbst, der das Herz versiegelt hat. Da es jedoch Allāh ist, der ihm die Fähigkeit und die Möglichkeit dazu verliehen hat, schreibt man ihm das Versiegeln in demselben Sinne zu wie eine Handlung dem, der sie verursacht hat. Es gibt noch eine vierte Deutungsmöglichkeit: Nachdem die Ungläubigen fest und endgültig zu denen gehören, die nicht glauben und denen die Zeichen und Warnungen nicht genügen und denen weder die empfangenen noch die bevorstehenden Erweise des göttlichen Wohlwollens, wenn sie ihnen gewährt werden, nützen, bleibt angesichts des sicheren Wissens, dass sie durch Gehorsam und freie Wahl nicht zum Glauben kommen werden, kein anderer Weg zum Glauben, als dass Allāh sie zwingt und nötigt. Und wenn nun kein anderer Weg zum Glauben bleibt, als dass Allāh sie zwingt und nötigt, Er sie aber trotzdem nicht zwingt und nötigt, damit der Zweck, der im Bemühen um den Glauben liegt, nicht verlorengehe, ist der Verzicht auf Zwang und Nötigung durch das Versiegeln umschrieben. Es soll dadurch kundgetan werden, dass sie es sind, deren Entschlossenheit zum Unglauben und deren Beharren darin sich einer Grenze nähert, von der man nur durch Zwang und Nötigung abkommen kann. Hier ist das äußerste Maß erreicht, wie man ihr hartnäckiges Verweilen in der Verfehlung sowie ihren schlimmen Zustand im Irrtum und in der Ungerechtigkeit darstellen kann. Schließlich bleibt als fünfte Deutungsmöglichkeit die folgende: Es handelt sich hier um eine ironische Wiedergabe von etwas, das die Ungläubigen selbst gesagt haben. (Zam, Gät) (vgl. 16:106-107 und die Anmerkung dazu).

Arabischer Originaltext:
خَتَمَ ٱللَّهُ عَلَىٰ قُلُوبِهِمۡ وَعَلَىٰ سَمۡعِهِمۡۖ وَعَلَىٰٓ أَبۡصَٰرِهِمۡ غِشَٰوَةٞۖ وَلَهُمۡ عَذَابٌ عَظِيمٞ


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