Koran, Sure 2, Vers 031

Koranübersetzung:
Und Er brachte Adam alle Namen bei, dann brachte Er diese vor die Engel und sagte: ”Nennt mir die Namen dieser Dinge, wenn ihr wahrhaftig seid!“

Erläuterung:
2:31 – Adam (a.s.) war sowohl der erste Mensch als auch der erste Prophet Allāhs auf Erden. Ihm wurde die allererste Botschaft gegeben, damit er und seine Kinder nach den Geboten Allāhs leben und handeln können. Unter dem Begriff “Namen” versteht man die Vermittlung von Wissen über Dinge, die zum diesseitigen und jenseitigen Leben gehören. Im Zusammenhang gelesen zeigt dieser Vers an, dass die Engel sehr überrascht waren, als Allāh den ersten Menschen, Adam, schuf und ihm Seine Treuhänderschaft (Amāna) übertrug. Sie konnten nicht den Grund für ein anderes Geschöpf an ihrer Seite verstehen. Um ihre Überraschung zu beseitigen und um den Vorrang des Menschen über die Engel zu errichten, ließ Allāh eine “Erkenntnis-Debatte” veranstalten. Allāh sprach: “Wir lehrten Adam die Namen jener Dinge, die unter die Macht der Treuhänderschaft des Menschen kommen werden.” Er sprach zu den Engeln: “Wenn ihr glaubt, dass ihr einen Vorrang über den Menschen haltet, so sagt Mir die Namen all dieser Dinge!” Die Engel fanden sich hilflos in dieser Angelegenheit. Auf diese Weise wurde der Vorrang des Menschen klar dargelegt. Dies zeigt auch die hohe Stelle, die das Wissen im Plan der Dinge im Islam einnimmt. Nach dem Islam ist dies ein Privileg des Menschen, das ihn vorrangig gegenüber den Engeln macht, die aus Licht erschaffen wurden. Aus diesem besonderen Grund legte der Prophet Muḥammad (a.s.s.) so großen Wert auf das Wissen. Man kann kaum seine Verpflichtung dem Propheten des Islam gegenüber vergessen, als die erste Offenbarung, die von Allāh zu ihm kam, ihm befahl: “Lies!” Seine Liebe zum Wissen war so groß, dass er, obgleich er die Quelle des Wissens für die Umma war, niemals aufhörte zu Allāh zu beten: “O Allāh, vermehre mein Wissen!” Daher wurde keiner Nation der Erwerb von Wissen so verpflichtend gemacht wie der Nation der Muslime. Das Wissen Europas ist das Ergebnis der letzten anderthalb oder zwei Jahrhunderte. Die Bücher, die seit der Ankunft des Propheten in Arabisch geschrieben wurden, übersteigen die totale Zahl der Bücher, die in all den anderen Sprachen geschrieben wurden. Als Spanien von den Muslimen regiert wurde, betrug die Bücherliste seiner öffentlichen Büchereien etwa vierundvierzig Bände. Gerade aus diesem Vers wissen wir also, dass des Menschen Vorrang in seinem Wissen besteht. Dies ist die Qualität, die ihn über die Stufe der Engel hinaushebt. Daher ist es Pflicht der Muslime, sich dem Erwerb von Wissen zu widmen. (Nia) Als Allāh (t) den ersten Menschen erschuf, erschuf Er ihn nicht mit dem für sein irdisches Dasein notwendigen Wissen, um zu leben und zu überleben. Adam (a.s.) glich nach seinem Schöpfungsakt einem Schüler, der noch viel lernen muss, um existenzfähig zu sein. Allāh, Kenner des Verborgenen wusste, wie schwer die Lage Adams war. Aus Barmherzigkeit wollte Er Sein hilfloses Geschöpf nicht im Stich lassen. Er gab Adam das erste Wissen, indem Er ihm die Namen aller Dinge und die Begriffe aller Art lehrte. Und im Qur’ān (55:1ff.) weist Allāh (t) auf die Tatsache hin: ”Der Allerbarmer hat den Qur’ān gelehrt. Er hat den Menschen erschaffen. Er hat ihm das deutliche Reden beigebracht.“ Schon nach dem ersten Fehler, den Adam in seinem Ungehorsam Allāh (t) gegenüber begangen hatte (vgl. Qur’ān 2:36), stand Adam reumütig und beschämt da, und hatte nicht die geringste Ahnung, wie man sich entschuldigen kann. Die richtigen Worte konnte er nicht sprechen, da er diese nicht gelernt hat. Allāh (t) sagt im Qur’ān über diese schwere Lage Adams: ”Daraufhin empfing Adam von seinem Herrn Worte, worauf Er ihm verzieh; wahrlich, Er ist der Allverzeihende, der Barmherzige.“ (2:37) Darunter verstehen wir, dass Allāh (t) Adam diejenigen passenden Worte eines Bittgebets um Vergebung gab und ihm sagte: Sprich zu Mir dies und jenes; dann werde Ich dir verzeihen! Als Adam das machte, was er gelernt hat, wurde ihm seine Tat verziehen. Damit entstand die erste Schule in der Menschheitsgeschichte, ein göttliches Modell für einen barmherzigen Umgang mit unseren Kindern zu allen Zeiten. Hierzu hat der Mensch auch gelernt, wie er mit seinem Schöpfer redet und Bittgebete spricht. Nach dem ersten Mord in der Geschichte, stand der Mörder hilflos da und wusste nicht einmal, was er mit dem Leichnam seines Bruders macht. Hier griff Allāh ein und brachte dem Mörder bei, was er in diesem Fall noch nicht wusste. Darüber lesen wir im Qur’ān: ”Und verlies ihnen in Wahrheit die Geschichte von den zwei Söhnen Adams, als sie beide ein Opfer darbrachten, und es von dem einen angenommen und von dem anderen nicht angenommen wurde. Da sagte dieser: »Wahrhaftig, ich schlage dich tot.« Jener erwiderte: »Allāh nimmt nur von den Gottesfürchtigen (Opfer) an. Wenn du auch deine Hand nach mir ausstreckst, um mich zu erschlagen, so werde ich doch nicht meine Hand nach dir ausstrecken, um dich zu erschlagen. Ich fürchte Allāh, den Herrn der Welten. Ich will, dass du die Last meiner Sünde und deiner Sünde trägst und so unter den Bewohnern des Feuers bist, und dies ist der Lohn der Frevler.« Doch er erlag dem Trieb, seinen Bruder zu töten; also erschlug er ihn und wurde einer von den Verlierern. Da sandte Allāh einen Raben, der auf dem Boden scharrte, um ihm zu zeigen, wie er den Leichnam seines Bruders verbergen könne. Er sagte: »Wehe mir! Bin ich nicht einmal imstande, wie dieser Rabe zu sein und den Leichnam meines Bruders zu verbergen?« Und da wurde er reumütig.“ (5:27-31) Diese Äußerung des Sohnes Adams zeigt, dass die Religionslehre von Sünde, Strafe und Rechenschaft über begangene Taten, den ersten Menschen bereits seit Beginn offenbart worden war. Aus den letzten zwei Zeilen dieses Qur’ān-Verses erkennen wir, wieviel wert das Lernen hat. Denn ohne Lernen werden wir Probleme haben. Ein weiteres Beispiel finden wir in der Geschichte des Propheten Noah, dem Erbauer des ersten Schiffes im Dasein der Menschheit. Noah, der nicht die geringste Kenntnis vom Schiffsbau hatte, musste auf Verheißung Allāhs und unter Seiner Anweisung ein Schiff bauen. Noah fing die Arbeit auf trocknem Ackerboden an, und seine Leute lachten ihn deshalb aus, weil er nicht mindestens ein Meeresufer für diesen Zweck suchte. Im Qur’ān lesen wir: ”Und es wurde Noah offenbart: »Keiner von deinem Volk wird (dir) glauben, außer jenen, die (dir) bereits geglaubt haben: sei darum nicht traurig über ihr Tun. Und baue das Schiff unter Unserer Aufsicht und nach Unserer Anweisung, und lege bei Mir keine Fürsprache für diejenigen ein, die gefrevelt haben; denn diese werden ertrinken.« Und er baute also das Schiff; sooft die Vornehmen seines Volkes an ihm vorübergingen, verspotteten sie ihn. Er sagte: »Verspottet ihr uns, so werden auch wir euch verspotten, gerade so, wie ihr spottet. Ihr werdet dann erfahren, wer es ist, über den eine Strafe kommen wird, die ihn mit Schande bedeckt, und wen eine immerwährende Strafe treffen wird.«“ (11:36-39) Durch diese Geschichte erfahren wir, dass damals zur Zeit Noahs die erste Schule für den Schiffsbau entstand. Die Lehre und die Anweisungen dafür kamen von unserem Erhabenen Schöpfer Selbst. (Über die Vermittlung des göttlichen Wissens vgl. weiter 12:22; 18:65; 20:114; 21:74, 79; 27:15; 28:14.) Mit der Entsendung von Propheten wurde diese segensreiche göttliche Schule fortgesetzt. Die Propheten hatten gleichzeitig mit ihrer Einberufung, den Lehrauftrag für ihre Völker erhalten, den sie getreu und gewissenhaft ausführen mussten: sie lehrten, warnten, ermahnten und verkündeten die frohe Botschaft Allāhs. Der letzte aller Propheten war Muḥammad, Allāhs Segen und Friede auf ihm, und die letzte Offenbarung ist der Qur’ān. Die Schule ist also eine göttliche Institution, deren Existenz bis zum Weltende unentbehrlich bleibt. Die Worte aus 96:1ff. werden uns stets daran erinnern. Es waren die ersten Wort in der Offenbarung des Qur’ān an den Propheten Muḥammad, Allāhs Segen und Friede auf ihm. Und wie die Schule unentbehrlich ist, so ist der Lehrer auch unentbehrlich, der uns das Wissen vermittelt. Dieser Lehrer kann die Mutter sein, die dem Kind die “Muttersprache” und die ersten Gehversuche beibringt; Lehrer kann auch der Vater, der das Kind vor den Gefahren warnt, oder der Lehrer in der Schule sein, der das Lesen und Schreiben beibringt usw. Der Lehrer muss für seinen idealen Einsatz gebührend mit Anstand und Achtung behandelt werden. Bei den islamischen Völkern werden die Schüler stets an die Prinzipien der “Lehrer-Schüler-Beziehung” mit Weisheiten und Sprichwörtern erinnert, zum Beispiel diese: “Wer mir einen einzigen Buchstaben lehrt, dem bin ich ein dankbarer Diener”. Wenn muslimische Schüler in einem Lehrplan verschiedene Lehrstoffe erhalten, so muss dort die islamische Religionslehre Priorität haben. Der Grund dafür besteht darin, dass das Begreifen der göttlichen Lehre zum Begreifen des Lebenssinns führt.

Arabischer Originaltext:
وَعَلَّمَ ءَادَمَ ٱلۡأَسۡمَآءَ كُلَّهَا ثُمَّ عَرَضَهُمۡ عَلَى ٱلۡمَلَٰٓئِكَةِ فَقَالَ أَنۢبِ‍ُٔونِي بِأَسۡمَآءِ هَٰٓؤُلَآءِ إِن كُنتُمۡ صَٰدِقِينَ


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