Koran, Sure 2, Vers 142

Koranübersetzung:
Die Toren unter den Menschen werden sagen: ”Was hat sie bewogen, sich von ihrer Qibla abzuwenden, nach der sie sich bisher gerichtet hatten?“ Sprich: ”Allah gehört der Osten und der Westen; Er leitet, wen Er will, zu einem geraden Weg.“

Erläuterung:
2:142-143 – “Die Toren unter den Menschen werden sagen…”: diejenigen Leute, die nur wenig Einsichtsvermögen aufweisen und dieses durch die blinde Übernahme anderer Ansichten und den Verzicht auf eigene Prüfung entwerten. Gemeint sind diejenigen unter den Heuchlern, Juden und Heiden, die von der Änderung der Gebetsrichtung nichts wissen wollen. Wenn hier im Vorgriff auf die Zukunft von dem berichtet wird, was die Toren später sagen werden, so ist das deshalb nützlich, weil man sich seelisch darauf einstellen und eine Antwort vorbereiten kann und weil diese Nachricht über ein zukünftiges Ereignis das Wunder der göttlichen Offenbarung zeigt. ”Was hat sie bewogen, sich von ihrer Qibla abzuwenden, nach der sie sich bisher gerichtet hatten?“: Gemeint ist die Gebetsrichtung nach Jerusalem. Das Wort “Qibla” bezeichnet ursprünglich die Stellung, die der Mensch einnimmt, wenn er einer Sache entgegensieht. Es wurde dann zu einer gebräuchlichen Bezeichnung für den Ort, dem man sich beim Gebet zuwendet. “Sprich: >Allāh gehört der Osten und der Westen<": Kein Ort ist seinem Wesen nach so beschaffen, dass er Allāh vor einem anderen Ort besonders zugehörte und nicht gegen einen solchen austauschbar wäre. Es geht hier darum, Allāhs Herrschaft über alle Orte der Welt darzustellen, und nicht um die Bestimmung eines besonderen Ortes. "Er leitet, wen Er will, zu einem geraden Weg“: Der gerade Weg besteht darin, dass die Weisheit es gut heißt und das Wohl es erfordert, dass man sich beim Gebet einmal Jerusalem und ein anderes Mal der Al-Ka‘ba zuwendet. "Und so": Hier ist auf den Inhalt des vorangehenden Verses hingewiesen. Damit ist gesagt: So wie Wir euch Muslime zu Menschen gemacht haben, die einen geraden Weg geführt werden. Oder: So wie Wir eure Gebetsrichtung zu der trefflichsten gemacht haben, so haben Wir euch Muslime zu einer in der Mitte stehenden Gemeinschaft gemacht, das heißt zu guten und gerechten Menschen, die im Wissen und Handeln unbescholten sind. Das Wort "Mitte", in der Mitte befindlich, ist ursprünglich eine Bezeichnung für den Ort mit gleichen Seitenflachen. Man hat es dann auf die lobenswerten Charaktereigenschaften übertragen, weil diese mitten zwischen den zwei Seiten des Übermaßes und der Übertreibung liegen. So liegt die Freigebigkeit zwischen der Verschwendung und dem Geiz, und die Kühnheit zwischen der leichtsinnigen Draufgängerei und der Feigheit. Man wendet dieses Wort nun auch auf den Träger solcher Charaktereigenschaften an. Aus dem vorliegenden Wort Allāhs kann man den Schluss ziehen, dass der Konsensus eine maßgebliche Autorität in Glaubensfragen ist; denn wenn in dem, worüber sich die Muslime einig sind, Trug wäre, so wäre dadurch eine Bresche in ihre Gerechtigkeit geschlagen und sie würden nicht in der Mitte stehen. "... auf dass ihr Zeugen seiet über die Menschen und auf dass der Gesandte Zeuge sei über euch": Hier wird das Motiv angegeben, warum Allāh (t) die Muslime zu einer in der Mitte stehenden Gemeinschaft gemacht hat. Gemeint ist: damit ihr Muslime durch die Erwägung der Beweismittel, die Allāh euch bereitet hat, und der Schrift, die Er euch herabgesandt hat, erfahrt, dass Allāh gegen niemand geizig gewesen ist und keinem Unrecht getan hat, sondern Seine Wege offen dargelegt und die Gesandten geschickt hat, welche ihren Auftrag erfüllt und die Menschen ermahnt haben, dass aber die Ungläubigen sich durch ihre Unart dazu verleiten ließen, ihren Wünschen zu folgen und die Zeichen Allāhs zu missachten. Hierin werdet ihr Zeugen über eure Zeitgenossen, Vorfahren und Nachfahren sein. In einem Ḥadīṯ ist es überliefert: Am Tage der Auferstehung werden die Gemeinschaften der Ungläubigen es in Abrede stellen, dass die Propheten ihre Aufgabe erfüllt haben. Dann wird Allāh (t) von den Propheten einen entsprechenden Beweis verlangen, wobei er gar wohl weiß, wie man mit Beweismaterial gegen die leugnenden Ungläubigen vorgeht, und man wird die Gemeinschaft Muḥammads als Zeugen herbeibringen. Wenn nun die anderen Gemeinschaften sagen: "Woher habt ihr erfahren, was ihr bezeugt?", wird die Gemeinschaft Muḥammads antworten: "Wir wissen das aus der Kundgabe Allāhs in Seiner Schrift, welche durch die Zunge seines wahrheitsgetreuen Propheten gesprochen hat. Darauf wird man Muḥammad herbeibringen und ihn nach dem Verhalten seiner Gemeinschaft fragen, worauf er für ihre Gerechtigkeit zeugen wird. "Und Wir haben die Qibla, nach der du dich bisher gerichtet hattest, nur gemacht, damit Wir denjenigen, der dem Gesandten folgt, von demjenigen unterscheiden, der auf seinen Fersen eine Kehrtwendung macht"; das heißt: Wir haben nunmehr als endgültig verbindliche Gebetsrichtung wieder die Seite eingesetzt, der du dich zu allererst zuwandtest, und zwar die Al-Ka‘ba. Muḥammad (a.s.s.) hielt nämlich beim Gebet in Makka die Richtung auf die Al-Ka‘ba ein. Als er dann nach Al-Madīna auswanderte, wurde ihm das Gebet in Richtung auf den Felsendom von Jerusalem befohlen, um eine Verbundenheit mit den Juden herzustellen. Oder es ist in diesem Vers die vorübergehende Richtung auf den Felsendom gemeint; denn Muḥammad hielt, wie Ibn ‘Abbās sagt, auch in Makka die Richtung auf Jerusalem ein. Allerdings stellte er sich dabei so, dass die Al-Ka‘ba zwischen ihn und den Felsendom zu stehen kam. Im ersten Fall wäre also von der letztlich tilgenden Einsetzung und im zweiten von der getilgten die Rede. Der Sinn ist im letzten Fall: Eigentlich hast du die Gebetsrichtung auf die Al-Ka‘ba einzunehmen, aber Wir haben Jerusalem deshalb für eine Zeit zu deiner Gebetsrichtung gemacht, um in Erfahrung zu bringen, wer dem Gesandten Allāhs folgt und wer eine Kehrtwendung vollzieht, das heißt, um die Menschen auf eine Probe zu stellen und um in Erfahrung zu bringen, wer dir in deiner Gebetsrichtung nach Jerusalem folgt und wer deiner Religion aus Anhänglichkeit an die Gebetsrichtung seiner heidnischen Vorfahren abtrünnig wird. Oder es ist gemeint: um jetzt nach der Aufhebung der zeitweiligen Richtung auf Jerusalem in Erfahrung zu bringen, wer dem Gesandten Allāhs folgt und wer nicht und welche Gefolgschaft einer vorübergehenden Eigenschaft zuzuschreiben ist und mit dieser verschwindet. Im ersten Falle ist der Sinn: Wir haben dich deshalb wieder zu der Gebetsrichtung auf die Al-Ka‘ba, die du zu allererst einnahmst, zurückkehren lassen, um in Erfahrung zu bringen, wer fest im Islam beharrt und nicht infolge innerer Unsicherheit und Glaubensschwäche eine Kehrtwendung vollzieht. "Und es ist nicht Allāh, Der euren Glauben verloren gehen lässt": nämlich euer festes Beharren im Glauben. Man sagt auch: euren Glauben an die getilgte Gebetsrichtung und die Gebete, die ihr nach dieser Richtung ausgeführt habt. Es ist nämlich überliefert: Als sich der Gesandte Allāhs, Allāhs Segen und Friede auf ihm, endgültig der Al-Ka‘ba zuwandte, fragte man ihn: "Gesandter Allāhs! Wie steht es mit denjenigen unter unseren Brüdern, die vor dieser Änderung gestorben sind?" Darauf kam herab: "wahrlich, Allāh ist gegenüber den Menschen Mitleidig, Barmherzig" und wird ihren Lohn nicht zunichtewerden lassen noch ihre Rechtschaffenheit übergehen. (Baid, Gät) Zusätzliche Erläuterung: 2:142-145 - Ka‘b Ibn Mālik berichtete: ”Wir machten uns zusammen mit unseren Stammesgenossen auf den Weg zur Pilgerfahrt nach Makka. Bei uns war auch Al-Barā’ Ibn Ma‘rūr, unser Führer und unser Ältester. Als wir Yaṯrib verlassen hatten, sprach Al-Barā’ zu uns: »Ich bin zu einer Ansicht gekommen, von der ich aber, bei Allāh, nicht weiß, ob ihr mir darin zustimmen werdet oder nicht. Ich bin der Meinung, ich sollte beim Gebet der Al-Ka‘ba in Makka nicht den Rücken kehren, sondern mich ihr zuwenden«. »Wir haben aber erfahren«, wandten wir ein, »dass sich der Prophet beim Gebet stets nach Jerusalem wendet, und wir wollen ihm nicht zuwiderhandeln.« »Ich werde mich trotzdem zur Al-Ka‘ba wenden.«, sagte Al-Barā’. »Wir aber nicht.«, erwiderten wir. Und immer wenn die Zeit zum Gebet kam, richteten wir uns mit dem Gesicht nach Jerusalem, während er sich in Richtung der Al-Ka‘ba wandte. Wir taten dies, bis wir in Makka anlangten. Wir hatten ihn zwar deswegen getadelt, doch er war dabei geblieben. Nach unserer Ankunft bat er mich: »Sohn meines Bruders! Lass uns zum Propheten gehen und ihn wegen meiner Handlungsweise während der Reise fragen. Dass ihr euch in dieser Frage gegen mich gestellt habt, hat mich doch berührt.« So machten wir uns auf, um den Propheten zu fragen. Da wir ihn aber nicht kannten und vorher noch nie gesehen hatten, wandten wir uns an einen Makkaner und erkundigten uns, wo Muḥammad zu finden sei. »Kennt ihr ihn?« fragte er uns. »Nein.«, sagten wir. »Dann kennt ihr vielleicht Al-‘Abbās, seinen Onkel?«, ergänzte er. Als wir dies bejahten, da Al-‘Abbās oft als Händler zu uns kam, fuhr er fort: »Wenn ihr bei der Al-Ka‘ba ankommt, ist Muḥammad der Mann, der bei Al-‘Abbās sitzt.« Wir gingen dorthin und fanden Al-‘Abbās und neben ihm den Propheten. Wir grüßten und setzten uns zu ihm, und der Prophet fragte Al-‘Abbās: »Kennst du die beiden Männer?« »Ja«, antwortete Al-‘Abbās, »das ist Al-Barā’ Ibn Ma‘rūr, der Führer seines Volkes, und der andere ist Ka‘b Ibn Mālik.« Ich werde nie vergessen, wie der Prophet daraufhin ausrief: »Der Dichter?« Al-‘Abbās bestätigte es ihm. Dann wandte sich Al-Barā’ an Muḥammad: »O Prophet Allāhs! Ich machte mich auf diese Reise, nachdem Allāh mir den rechten Weg zum Islam gewiesen hatte, doch war ich der Meinung, mich beim Gebet nicht mit dem Rücken zur Al-Ka‘ba stellen zu können, sondern mich ihr zuwenden zu müssen. Meine Gefährten waren jedoch in dieser Frage derart gegen mich, dass es mich in meinem Herzen berührte. Was meinst du, o Gesandter Allāhs?« »Du hättest eine Gebetsrichtung, wenn du dabei bliebst!« erwiderte ihm der Prophet. Al-Barā’ aber wandte sich wieder der Gebetsrichtung des Propheten zu und betete mit uns gen Jerusalem. Im Monat Ša‘bān, zu Beginn des achtzehnten Monats nach der Ankunft des Propheten in Al-Madīna, wurde die Gebetsrichtung (Qibla) geändert. (Rtt) (vgl. dazu unten 2:149-150)

Arabischer Originaltext:
۞سَيَقُولُ ٱلسُّفَهَآءُ مِنَ ٱلنَّاسِ مَا وَلَّىٰهُمۡ عَن قِبۡلَتِهِمُ ٱلَّتِي كَانُواْ عَلَيۡهَاۚ قُل لِّلَّهِ ٱلۡمَشۡرِقُ وَٱلۡمَغۡرِبُۚ يَهۡدِي مَن يَشَآءُ إِلَىٰ صِرَٰطٖ مُّسۡتَقِيمٖ


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