Muta

Muslime, die in Syrien den Islam verkünden sollen, werden ermordet.

Nachdem Heraklios, der Kaiser von Byzanz (Syrien gehört zum Byzantinischen Reich), alle von Muhammad, Allahs Segen und Friede auf ihm, gemachten Vorschläge zur Wiedergutmachung zurückgewiesen hat, zieht eine Armee von 3000 Muslimen nach Syrien.

Bei Muta an der syrischen Grenze kommt es zum Kampf gegen eine etwa fünfzigfache Übermacht der Byzantiner.

Über diese Schlacht wird folgendes von den Historikern berichtet: Im Monat Dschumada-l-Ála des Jahres 8 n. H. (629 n. Chr.) schickte der Prophet (s.) ein Heer nach Muta. Er unterstellte es dem Befehl des Zaid Ibn Haritha und sprach: Wenn Zaid fällt, erhält Dschafar Ibn Abi Talib die Führung. Stirbt auch er, übernimmt Abdullah Ibn Rawaha den Befehl über das Heer!

Die Muslime, dreitausend an der Zahl, rüsteten sich zum Aufbruch, und als es soweit war, nahmen die muslimischen Feldherren von den Zurückbleibenden Abschied. Das Heer brach auf, und der Prophet (s.) begleitete es ein Stück des Wegs. Der Prophet (s.) hatte den Teilnehmern an dem Feldzug noch die Anweisung gegeben, keine Häuser und Einsiedlerzellen zu zerstören, keine Bäume umzuhauen, keine Frauen, Kinder, Greise und Asketen zu töten.

Grund für den Feldzug war folgende Begebenheit: Der Prophet (s.) hatte einen Boten an den König der im Gebiet des heutigen Syrien und Jordanien lebenden Araber geschickt. Diese Araber waren bereits christianisiert, den Byzantinern tributpflichtig und standen politisch unter deren Einfluss. Der Bote des Propheten (s.) hatte den Auftrag, jenem König ein Schreiben zu überbringen, in welchem der Prophet (s.) ihn zum Übertritt zum Islam einlud. So wie diesen Brief sandte der Prophet (s.) Schreiben gleichen Inhalts auch an die Herrscher der beiden damaligen Großmächte Persien und Byzanz als auch an Al-Muqauqis, das Oberhaupt der Kopten in Ägypten, damals byzantinische Provinz, um sie einzuladen, den Islam anzunehmen, damit sie und ihre Völker nicht als Ungläubige sterben und die Qualen der Hölle zu ertragen hätten.

Diese Schreiben mit der Einladung zum Islam, die der Prophet (s.), der ja das Oberhaupt des Islamischen Staates in Al-Madina und später der ganzen Arabischen Halbinsel war, an andere Staatsoberhäupter schickte, machen deutlich, dass es die Pflicht einer jeden islamischen Regierung ist, durch derartige Aufrufe an Staatsoberhäupter und Völker jenen die Möglichkeit zu gehen, zwischen Islam und dem Verbleiben auf dem falschen Weg, dem Weg des Unglaubens, zu wählen. Offensichtlich wird dabei auch, dass diese Art von “Mission” ohne jeglichen Druck und Zwang ausgeübt wird und nichts weiter ist als eine schöne Einladung, getreu dem Worte Allahs im Quran (2:256): Es gibt keinen Zwang im Glauben. Der richtige Weg ist nun klar erkennbar geworden gegenüber dem unrichtigen. Wer nun an die Götzen nicht glaubt, an Allah aber glaubt, der hat gewiss den sichersten Halt ergriffen, bei dem es kein Zerreißen gibt. Und Allah ist Allhörend, Allwissend. “

Der Bote des Propheten (s.) wurde auf dem Weg zu jenem König auf dessen Geheiß ermordet. Als der Prophet (s.) von seiner Ermordung erfuhr, stellte er das Heer bereit und sandte es in dieselbe Gegend, in der sein Bote ermordet worden war. Er gab ihnen den Auftrag, gegen die Mörder des Boten und damit die Feinde des Islam zu kämpfen, fänden sie sie in jener Gegend ebenfalls kampfbereit. Stände dort aber kein feindliches Heer, so hätten sie lediglich den Islam zu verkünden ohne irgendwelche Feindseligkeiten von sich aus erkennen zu lassen. An diesem Befehl des Propheten lässt sich sehen, dass der Islam nicht Unschuldige bekämpfen will und die friedliche Lösung von Problemen vorzieht, wo diese vom islamischen Standpunkt aus noch zu vertreten sind. Abermals ist er auch ein Beweis, dass die Verkündung der islamischen Botschaft ohne Zwang und Gewaltanwendung ausgeübt werden soll. Im Falle, dass kein feindliches Heer bereitgestanden hätte, wäre es zu keinem Vergeltungszug für den ermordeten Boten gekommen, und der Mord an ihm wäre zumindest im Diesseits ohne Strafe geblieben. Andererseits zeigt die Ermordung des Boten klar und deutlich, dass nicht die Muslime mit der Aggression gegen die sie umgebenden Völker begannen, sondern jene selbst.

Dies ist eine wichtige Tatsache, wenn man bedenkt, wie oft dem Islam zu Unrecht der Vorwurf gemacht wurde und noch immer gemacht wird, er sei eine Religion der Gewalt und des Blutvergießens. Gewiss haben die Muslime gegen andere Völker gekämpft, doch nicht, wie behauptet wird, um jenen ihre Religion aufzuzwingen, sondern weil jene den Islam zu vernichten suchten, und der Islam sich dagegen zur Wehr setzte und seine Gegner unschädlich machen musste.

Das Heer zog bis nach Maan im heutigen Jordanien. Dort erfuhren die Muslime, dass Heraklios mit hunderttausend Byzantinern, denen sich weitere hunderttausend Mann aus den Stämmen Lachm, Dschudham, Yaqain, Bahra und Bali angeschlossen hatten nach Maab in der Landschaft Balqa gekommen war. Auf diese Nachricht hin blieben die Muslime zwei Nächte in Maan und überlegten, was sie angesichts dieser Lage tun sollten.

Einige schlugen vor: Wir schreiben an den Propheten und unterrichten ihn von der Anzahl der Feinde. Entweder schickt er uns weitere Männer zur Hilfe, oder er erteilt uns einen anderen Befehl, nach dem wir uns richten können. “

Abdullah Ibn Rawaha aber spornte sie an und sprach: Bei Allah, ihr Männer, das, wovor ihr jetzt zurückschreckt, ist doch eben das, weshalb ihr ausgezogen seid: der Märtyrertod! Wir kämpfen doch nicht gegen den Feind mit Zahlen, Kraft und Heeresgröße, sondern allein mit dem Glauben, mit dem Allah uns ausgezeichnet hat. So macht euch auf! Eines von zwei schönen Dingen erwartet uns: der Sieg oder der Märtyrertod! Bei Allah, Ibn Rawaha hat recht!  riefen die Muslime und zogen weiter.

An der Grenze der Landschaft Balqa trafen sie bei dem Dorf Mascharif auf die byzantinischen und arabischen Heerscharen und zogen sich beim Anrücken des Gegners nach Muta zurück. Dort kam es zum Kampf. Zaid Ibn Haritha kämpfte mit der Fahne des Propheten in der Hand, bis er so viel Blut verloren hatte, dass er mitten unter den feindlichen Lanzen fiel. Darauf ergriff Dschafar die Fahne und stürzte sich in den Kampf. Als ihm jeder Fluchtweg abgeschnitten war, sprang er von seinem Rotschimmel, durchschlug dessen Beine und kämpfte, bis er starb. Bevor er fiel, trug er die Fahne solange er konnte. Als ihm die rechte Hand abgehauen wurde, ergriff er sie mit der linken. Und als er auch noch die Linke verlor, packte er die Fahne mit den verbliebenen Stümpfen seiner beiden Arme, bis er schließlich fiel.

Der Prophet (s.) sagte dann später, Dschafar habe im Paradies anstelle seiner beiden Hände Flügel erhalten. Und nachdem Dschafar gefallen war, ergriff Abdullah Ibn Rawaha die Fahne und stürmte auf seinem Pferd voran. Auch er kämpfte bis er fiel. Sodann übernahm Thabit Ibn Al-Aqram die Fahne und rief: Ihr Muslime, einigt euch auf einen Mann aus euren Reihen, der die Führung übernehmen soll. Sie schlugen ihn selbst vor, doch er lehnte ab. So einigten sie sich auf Chalid Ibn Al-Walid. Nachdem dieser die Fahne übernommen hatte, versuchte er sich vom Feinde fernzuhalten und weitere Kämpfe zu vermeiden.

Durch ein taktisches Manöver gelang es Chalid, während eine Anzahl von Muslimen in den vorderen Reihen noch kämpfte, die übrigen zum geordneten Rückzug zu sammeln, denen sich dann auch die noch bis zuletzt Kämpfenden anschlossen. Beide Seiten trennten sich voneinander, und Chalid brachte die Muslime nach Al-Madina zurück. Als sich das Heer Al-Madina näherte, ritt ihnen der Prophet (s.) mit den zurückgebliebenen Muslimen entgegen. Die Kinder rannten nebenher.

Die Leute begannen, Staub auf die Heimkehrenden zu werfen und riefen: Ihr Feiglinge! Ihr seid auf dem Wege Allahs geflohen! Wenn Allah, der Erhabene, es will, unterbrach der Prophet (s.) das Treiben, sind es keine Fliehenden, sondern Männer, die sich zurückgezogen haben, um sich zum nächsten Kampf zu rüsten!  (vgl. Quran 8:16)

Das Schlachtfeld von Muta liegt in einem leicht hügeligen Gelände des Hochlandes im heutigen Jordanien, südlich von Kerak, westlich der Südspitze des Toten Meeres. Die Gräber der drei gefallenen Feldherren Zaid, Dschafar und Abdullah Ibn Rawaha liegen ein paar Kilometer südlich des Schlachtfeldes. Es war dies für die Muslime die erste Schlacht außerhalb der Arabischen Halbinsel.

Erwähnenswert scheint hier die Bemerkung, dass viele für die islamische Geschichte entscheidende Schlachten im syrisch-palästinensischen Raum, stattfinden: die Schlacht von Muta, die Schlacht am Yarmuk, in der die Muslime das byzantinische Heer besiegten, die Schlacht von Hittin, in der die Kreuzfahrer entscheidend geschlagen wurden, die Schlacht bei Ain Dschalut, in der der Mongolensturm aufgehalten wurde.

Das Beispiel der Schlacht von Muta wie auch andere Schlachten zur Zeit des Propheten (s.), und der rechtgeleiteten Kalifen nach ihm, macht vielmehr deutlich, dass die ersten Muslime kämpften, um ihre Religion und ihren Staat zu verteidigen. Im Falle von Muta war der Gegner zahlenmäßig so hoch überlegen (3000 Muslime gegen 200000 Byzantiner mit ihren arabischen Verbündeten), dass selbst der Kampfgeist und die Opferungsbereitschaft der Muslime keinen Sieg bringen konnten.

Chalid erkannte das dann ganz richtig und führte das muslimische Heer im geordneten Rückzug nach Al-Madina heim. Und der Prophet (s.) gab ihm in dieser Entscheidung recht und wies die Tadler unter den Zurückgebliebenen zurecht. In diesem Falle war es keine Feigheit und keine Schande, sondern Vernunft, die vor dem sinnlosen Untergang bewahrte. (DM)