Negus

(Arab.: An-Nadschasyy) Herrscher von Abessinien.

Die Makkaner gingen weiterhin gegen jene feindselig vor, die sich zum Islam bekehrten und dem Propheten (s.) folgten. Besonders schlimm gingen die Stämme mit den Schwachen unter ihnen um, die nicht unter dem Schutz eines Stammesmitglieds standen. Sie sperrten sie ein, folterten sie mit Peitschenhieben, ließen sie hungern und dursten und setzten sie der Sonnenhitze aus, um sie vom Glauben an Allah abzubringen. Die Muslime aber blieben standhaft, und keiner von ihnen gab deswegen seinen Glauben auf.

Als der Prophet (s.) sah, dass seine Gefährten mehr und mehr unter den Schikanen der Makkaner litten, riet er ihnen: Wandert nach Abessinien aus. Denn dort herrscht ein christlicher König, bei dem niemand unter Unrecht leidet. Bleibt dort, bis Allah eure Not zum Besseren wendet! Darauf zogen einige Gefährten des Propheten (s.) mit ihren Familien dorthin. Dies war die erste Auswanderung, Hidschra genannt, in der islamischen Geschichte.

Als die Muslime dort ankamen, wurden sie vom Negus, dem König Abessiniens, freundlich aufgenommen. Sie konnten in Sicherheit leben und ihren Glauben ausüben. Als die Makkaner dies erfuhren, beschlossen sie, eine Delegation aus zwei starken Männern zum Negus zu entsenden und ihm mit ihnen die besten Geschenke zu schicken. Die beiden machten sich auf den Weg und kamen beim Negus an. Sie übergaben die Geschenke und erklärten: In euer Land sind einige törichte Burschen von uns geflohen, die sich vom Glauben ihrer Väter und Vorväter getrennt haben. Sie haben eine neue Religion erfunden. Die Führer unseres Volkes haben uns deshalb zu euch gesandt, damit ihr sie zu uns zurückschickt.

Da erzürnte der Negus und sprach: Nein, bei Allah, ich werde sie den beiden nicht ausliefern. Keinen der Schutzsuchenden in meinem Land, der zu mir kam und mich anderen vorzog, werde ich ausliefern, bevor ich nicht sein Anliegen gehört habe. Sodann schickte er einen Boten zu den muslimischen Auswanderern, um sie zu holen. Als der Bote zu ihnen mit dieser Nachricht kam, verhielten sie sich so, wie sie es vom Propheten Muhammad gelernt hatten: sie versammelten sich, wählten sofort einen Führer und Sprecher aus ihrer Mitte und berieten sich gegenseitig, was sie dem Negus sagen sollten.

Sie waren darüber einig, dass sie vor dem Negus das wiedergeben, was sie vom Propheten gehört hatten. Als die Muslime sich bei dem Negus einfanden, fragte er: Was habt ihr für eine Religion, deretwegen ihr euer Land und Volk verlassen habt?

Der Führer der Muslime sagte: O König, wir waren ein unwissendes Volk. Wir verehrten falsche Götter, aßen unreine Dinge, begingen Unzucht, verletzten Verwandtschaftsbande, missachteten die Gastfreundschaft, und die Mächtigen unter uns beuteten die Schwachen aus. So lebten wir, bis Allah uns aus unserer Mitte einen Propheten sandte, dessen Abstammung, Wahrhaftigkeit, Redlichkeit und Anstand wir kennen. Er rief uns auf, Allah allein zu verehren und Ihm nichts beizugesellen, zu beten, Almosen zu geben und zu fasten. Wir glaubten ihm und folgten seiner Botschaft. Unser Volk aber peinigte uns und versuchte, uns von unserem Glauben abzubringen. Als sie dann mit Gewalt gegen uns vorgingen, uns unterdrückten, uns Beschränkungen auferlegten und uns an der Ausübung unseres Glaubens hinderten, begaben wir uns in dein Land und wollten lieber bei dir als bei jemand anderem sein. Wir schätzen deinen gastlichen Schutz und hoffen, dass uns bei dir, o König, kein Unrecht geschieht.

Der König fragte: Hast du etwas von der Offenbarungsschrift dabei, die euer Prophet euch brachte? Der muslimische Führer bejahte diese Frage und rezitierte ihm einen Abschnitt aus der Sure “Maryam” im Quran. Da weinte der Negus, bis sein Bart von den Tränen nass wurde. Und auch seine anwesenden Bischöfe weinten, bis die Tränen ihre Schriften benetzten, die sie auf den Schoß gelegt hatten.

Dann wandte sich der Negus an die beiden Abgesandten der Makkaner und sprach: Diese Botschaft und die Botschaft Jesu kommen aus derselben Nische. Geht! Bei Allah, ich werde sie euch nicht ausliefern und sie nicht hintergehen!

(—-> Abessinien)